Zwischen Diesel und Demokratie: Das war der April-Stadtrat 14. Mai 202520. Mai 2025 Am Mittwoch, dem 30. April, tagte der hallesche Stadtrat zur April-Sitzung, überschattet vom plötzlichen Tod des langjährigen Stadtrats Tom Wolter, Fraktionsvorsitzender der Fraktion Volt/MitBürger. Blumen und ein aufgestelltes Foto auf seinem Platz erinnerten an ihn. Tom hinterlässt nicht nur im Stadtrat eine große Lücke, sondern auch in der Stadtgesellschaft, der Theaterlandschaft, der freien Szene. Auch an dieser Stelle sprechen wir noch einmal seiner Familie unser aufrichtiges Beileid aus und wünschen in dieser schweren Zeit viel Kraft. Was im Stadtrat im April beschlossen oder abgelehnt wurde, welche Diskussionen es gab und was aus unseren zahlreichen Anfragen geworden ist, erfahrt ihr hier: Aktuelle Stunde: „Demokratie“ streichen? Nein danke. Für Diskussionsstoff sorgte die Aktuelle Stunde unter dem Titel „Worte kann man streichen – Verantwortung nicht. Demokratieförderung und Klimaschutz bleiben Kernaufgaben“. Anlass war die von Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt veranlasste Umstrukturierung der Stadtverwaltung, in deren Zuge unter anderem die Dienstleistungszentren „Demokratie und Integration“ sowie „Klimaschutz“ aufgelöst bzw. in Geschäftsbereiche eingegliedert wurden. Unsere Stadträtin Prof. Dr. Claudia Dalbert erinnerte daran, dass Klimaschutz eine prioritäre Verantwortung sei – unabhängig von Organigrammen. Die Streichung habe bei vielen Bürger:innen Verwirrung ausgelöst. Dalbert kündigte an, die kommenden Maßnahmen des OB, etwa zum Klimaschutzrat oder einem Runden Tisch Klima, genau beobachten zu wollen. Positiv hob sie Vogts jüngste Aussagen zu einer autoarmen Altstadt hervor, machte aber auch deutlich: „Wir werden ihn an seinen Taten messen.“ Melanie Ranft, Vorsitzende unserer Fraktion, unterstrich in ihrem Redebeitrag die Wichtigkeit der Demokratie und Demokratieförderung. Außerdem betonte sie mit Blick auf die AfD: „Wir wollen keine demokratiefeindlichen Brandstifter.“ Demokratie sei keine Fußnote der Verwaltung, sondern Fundament einer offenen Stadtgesellschaft. Mobilitätswende braucht Platz: HAVAG-Betriebshof wird erweitert Einstimmig hat der Stadtrat den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 221 – Erweiterung des HAVAG-Betriebshofs beschlossen. Der Hintergrund: Ab 2029 dürfen laut EU-Vorgaben nur noch emissionsfreie Busse neu angeschafft werden. Die HAVAG muss ihre Flotte daher Schritt für Schritt auf Elektroantrieb umstellen – und das braucht Platz. Während andere Stadträt:innen vor einer „zu großen Abhängigkeit vom Stromnetz“ warnten und forderten, Dieselbusse als „Ressource“ vorzuhalten, machte unsere Stadträtin Michelle Brasche klar: „Die HAVAG ist gesetzlich verpflichtet, ihre Flotte umzurüsten. Ohne diese Umstellung würde das Busangebot langfristig eingeschränkt – mit gravierenden Folgen, vor allem für Schüler:innen, Senior:innen und viele andere Menschen, die auf den Nahverkehr angewiesen sind.“ Auch Stadträtin Dr.Annette Kreutzfeldt widersprach den Zweifeln an der Elektrifizierung deutlich: „Wir werden doch nicht in eine aussterbende Technologie investieren – die Zukunft ist elektrisch.“ Zudem wies sie darauf hin, dass auch eine Dieseltankstelle ohne Strom nicht funktioniere. Ein leistungsfähiger ÖPNV ist ein zentraler Baustein für eine klimafreundliche Stadt. Der Beschluss war ein wichtiger Schritt dorthin. Baumfällliste: Mehr Infos, mehr Transparenz Am Sandanger soll ein neuer Caravan-Stellplatz entstehen – ein Vorhaben, das grundsätzlich sinnvoll ist. Denn Halle braucht touristische Infrastruktur, auch für Wohnmobilreisende. Doch während die Stadtverwaltung bereits auf Vertragsabschluss mit einem privaten Investor zusteuert, bleiben zentrale Fragen bislang unbeantwortet. Wie genau soll die Fläche gestaltet werden? Mit unserem Änderungsantrag wollten wir genau das klären, bevor Fakten geschaffen werden. Uns ging es nicht darum, das Projekt zu blockieren, sondern darum, grundlegende Rahmenbedingungen verbindlich festzulegen. Wird die Fläche asphaltiert oder bleibt sie weitgehend naturbelassen? Gibt es Begrünung, Entwässerungskonzepte, nachhaltige Materialien? Welche Beleuchtung ist vorgesehen? Unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Dr. Mario Lochmann betonte: „Der Flächennutzungsplan eignet sich nicht dazu, die nötigen Rahmenbedingungen festzulegen, die eine klare Gestaltung des geplanten Caravan-Stellplatzes sichern.“ Deshalb forderten wir, konkrete gestalterische und ökologische Anforderungen vor Vertragsabschluss festzulegen. Leider wurde unser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt – ein Schritt, der den Gestaltungsspielraum bei diesem Vorhaben deutlich einschränkt. Radverkehr: Fortschritt im Schneckentempo Wie steht es um die Förderung des Radverkehrs in Halle? Mit einer umfangreichen Anfrage wollten wir den Stand zentraler Maßnahmen in Erfahrung bringen. Die Antwort der Verwaltung macht deutlich: Es gibt Fortschritte, aber das Tempo bleibt schleppend. Mehrere wichtige Projekte, etwa der straßenbegleitende Geh- und Radweg zwischen Dölau und Nietleben oder die neue Radverkehrsanlage in der Waldstraße, befinden sich zwar in der Planung, umgesetzt werden sollen sie aber erst zwischen 2029 und 2031. Auch die Umgestaltung der Emil-Abderhalden-Straße zur Fahrradstraße ist weit entfernt von der Realisierung: Die Ausschreibung wurde aus „Kapazitätsgründen“ bislang noch nicht gestartet. Ein Lichtblick: Im Haushaltsjahr 2024 wurden 99 neue Fahrradabstellanlagen an verschiedenen Standorten wie der Oper, dem Neustadt Center oder der Edgar-André-Straße errichtet. Doch gerade dort, wo der Bedarf besonders hoch ist – etwa an Schulen, Kitas oder im Paulusviertel – laufen Prüfungen oder Abstimmungen weiterhin schleppend. Immerhin liegt jetzt eine aktualisierte Bedarfsliste für den öffentlichen Straßenraum vor – eine Übersicht für städtische Einrichtungen fehlt jedoch weiterhin. Auch eine Veröffentlichung dieser Listen auf der städtischen Website wird bislang lediglich „geprüft“. Bei weiteren Standorten – etwa der Geiststraße, dem Neuwerk, der Oleariusstraße oder dem Bahnhofsvorplatz – zeigt sich ebenfalls: Vieles ist in der Prüfung, wenig konkret beschlossen. Vorschläge wie Doppelstock-Fahrradständer wurden aus denkmalpflegerischen Gründen bereits ausgeschlossen. Umweltkontrollen: Hier bleibt Geld liegen Mit einer Anfrage zum Umfang von Umweltkontrollen im Stadtgebiet wollten wir in Erfahrung bringen, wie konsequent Halle gegen Umweltsünder vorgeht. Die Antwort der Stadtverwaltung zeigt: Im Jahr 2024 wurden lediglich 75 Bußgeldverfahren eingeleitet. Zwar ermöglicht der Bußgeldkatalog des Landes Sachsen-Anhalt Sanktionen von bis zu 100.000 Euro, tatsächlich wurden jedoch nur sehr geringe Bußgelder verhängt, im Höchstfall 250 Euro. Unsere Stadträtin Prof. Dr. Claudia Dalbert, die den Bußgeldrahmen in ihrer Zeit als Umweltministerin auf den Weg gebracht hat, sieht darin ein Missverhältnis zwischen den zur Verfügung stehenden Mitteln und deren tatsächlicher Anwendung. Die Zahlen werfen die Frage auf, wie effektiv Umweltkontrollen in Halle derzeit durchgeführt und genutzt werden. Aus unserer Sicht wäre eine konsequentere Umsetzung des bestehenden Rahmens ein wichtiger Beitrag zum Schutz unserer städtischen Umwelt. Einbürgerung in Halle: Beratung nur digital? Die Einbürgerung ist ein bedeutender Schritt – für viele Menschen der letzte Abschnitt eines oft langen Integrationsprozesses. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der Weg dorthin verständlich, transparent und zugänglich gestaltet ist. Aktuell empfiehlt die Stadtverwaltung Halle allen Einbürgerungswilligen dringend, sich vor der Antragstellung beraten zu lassen – bietet dafür aber ausschließlich Beratungsgespräche per E-Mail an. Mit unserer Anfrage wollten wir wissen: Wie viele Menschen nutzen dieses Angebot eigentlich? Welche Erfahrungen macht die Verwaltung mit dieser rein digitalen Form der Beratung? Und: Was ist mit denjenigen, die keinen E-Mail-Zugang haben oder mit Einschränkungen leben – gibt es auch für sie passende Möglichkeiten? Die Antwort der Stadtverwaltung fällt aus unserer Sicht informativ, aber lückenhaft aus: Statistische Daten zur Anzahl der Beratungen oder durchschnittlichen Bearbeitungszeiten liegen nicht vor – weder für die Jahre 2023 noch für 2024 oder 2025. Datenschutzgründe und fehlende technische Erfassung verhindern laut Verwaltung eine Auswertung. Das bedeutet: Die Stadt kann derzeit nicht sagen, wie viele Menschen tatsächlich beraten wurden und wie schnell dies geschah. Für Menschen ohne Internetzugang verweist die Verwaltung auf die Möglichkeit, eine Beratungsanfrage schriftlich per Post oder über städtische Briefkästen einzureichen. Auch Migrationsberatungsstellen würden Anfragen im Namen von Einbürgerungsinteressierten stellen. Für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, etwa Seheinschränkungen, verweist man auf technische Hilfsmittel oder private Unterstützer:innen – telefonische oder persönliche Gespräche seien im Einzelfall möglich, müssten aber aktiv angefragt werden. Begründet wird die ausschließliche E-Mail-Beratung mit Effizienz: Man verschicke individuell zugeschnittene Merkblätter mit Informationen zu den nötigen Unterlagen. Dieses Vorgehen werde seit Jahren praktiziert, ohne dass es nennenswerte Beschwerden gegeben habe, heißt es. Unser Eindruck: Die digitale Beratung kann für viele eine praktische Lösung sein – aber sie darf nicht zum einzigen Weg werden. Einbürgerung ist mehr als ein Formularprozess. Sie braucht persönliche Zugänge, klare Informationen und eine Haltung, die Integration wirklich unterstützt. Für uns bleibt wichtig, dass auch nicht-digitale und barrierefreie Alternativen nicht nur theoretisch möglich, sondern aktiv angeboten und kommuniziert werden. Alle anderen Anfragen aus dem Monat April und die Antworten der Verwaltung findet ihr hier! Unser Fazit zur April-Sitzung Die Aprilsitzung des Stadtrats hat mal wieder gezeigt: Viele Themen, die unsere Stadt bewegen, sind komplex – aber lösbar, wenn wir Verantwortung übernehmen, genau hinschauen und dranbleiben. Ob es um Demokratie, Klimaschutz, Verkehr oder Integration geht: Es braucht politische Klarheit, eine offene Verwaltung und eine Stadtgesellschaft, die mitgestaltet. Wir bringen uns weiter mit Nachdruck, Ideen und Anträgen ein. Auf unseren Kanälen halten wir euch dabei weiterhin auf dem Laufenden.