Anfrage zur nachhaltigen Beschaffung durch die Stadt Halle (Saale)

Auf die Anfrage unserer Fraktion, in welchen Bereichen der Stadtverwaltung aktuell die Beschaffung nachhaltig/energieeffizient erfolge und in welchen noch nicht (vgl. Frage 5 in der Anfrage zur Präsentation „Energiebericht 2022“ VII/2022/04311), antwortete die Stadtverwaltung am 01.07.2022: „Die Verwaltung setzt bei der Beschaffung von Kopierpapier auf Recyclingprodukte, welche mit dem Blauen Engel zertifiziert sind. Bei Briefkopfbögen wird auf ein Umweltlabel geachtet. Büroutensilien aus Kunststoff basieren je nach Verfügbarkeit auf recyclebaren Materialien. Klebstoffe sind zu 90% naturbasiert. Um nachhaltige Waldwirtschaft zu unterstützen, werden Produkte wie Aktenschachteln mit FSC-Zertifizierung verwendet. Bürobedarf wie Aktenordner, Trennblätter und Heftstreifen sind ausRecyclingkarton. Die Beschaffung von Möbeln erfolgt ausschließlich nach dem PEFC-Standard und soll gewährleisten, dass zur Herstellung überwiegend nachhaltiges Holzverwendet wird.“

Ergänzend zu diesen Informationen bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Die Stadtverwaltung hatte im Rahmen der Arbeit der Projektgruppe „Fairtrade-Town“ und aufgrund von Stadtratsnachfragen angekündigt, dass die derzeit geltende Verwaltungsvorschrift städtische Vergaben (VV-Nr.: 01/2018) überarbeitet wird, um für bestimmte sensible Produktgruppen soziale und ökologische Kriterien aufzunehmen. Angekündigt wurde, dem Ausschuss für städtische Bauangelegenheiten und Vergaben die Verwaltungsvorschrift nach deren Änderung anhand einer Synopse in Gestalt einer Informationsvorlage voraussichtlich im Juni 2022 vorzustellen. Eine solche Informationsvorlage wurde in den letzten Fachausschusssitzungen am 16.06. und
    12.07.2022 noch nicht vorgelegt.
    a) Wann soll die geänderte Verwaltungsvorschrift in Kraft treten?
    b) Welche relevanten Produktgruppen wurden identifiziert?
    c) Wie soll künftig die Erfüllung von sozialen und ökologischen Kriterien jeweils konkret – unabhängig von Eigenerklärungen – glaubhaft gemacht und geprüft werden?
  2. In einer Sitzung der Projektgruppe „Fairtrade-Town“ wurde durch die Stadtverwaltung über eine von der damaligen Koordinatorin für kommunale Entwicklungszusammenarbeit erarbeitete „Handreichung der Stadt Halle (Saale) zur nachhaltigen Beschaffung“ berichtet.
    a) In welchen Fachbereichen und Eigenbetrieben der Stadt Halle (Saale) findet die Handreichung in der Praxis Anwendung? In welchen ggf. nicht und aus welchen Gründen?
    b) Für zahlreiche relevante Produktgruppen, Produkte und Dienstleistungen besteht die Möglichkeit einer Zertifizierung mit dem EU Ecolabel (vgl. https://eu-ecolabel.de/fuer-unternehmen/produktgruppen) und/oder dem Umweltzeichen Blauer Engel (vgl. https://www.blauer-engel.de/de/produktwelt). Werden für die relevanten Produktgruppen bei der öffentlichen Beschaffung in Halle standardmäßig EU Ecolabel bzw. das Umweltzeichen Blauer Engel gefordert? Falls nein, in wieviel Prozent der Ausschreibungen wurden diese Siegel in 2020/2021 nicht beachtet? Aus
    welchen Gründen kamen die Siegel nicht zur Anwendung?
    c) Die OECD veröffentlicht regelmäßig eine sog. DAC-Liste der sogenannten Entwicklungsländer und –gebiete. Verlangt die Stadt Halle (Saale) für Produkte, die in diesen Ländern und Gebieten hergestellt werden, die in der o.g. Handreichung aufgeführten Nachweise in Form von glaubwürdigen und unabhängigen Gütezeichen oder die Mitgliedschaft in einer Multistakeholder-Initiative (z.B. Fair Wear Foundation), welche die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen kontrollieren? Falls nein, in wieviel Prozent der relevanten Ausschreibungen wurden keine entsprechenden Nachweise verlangt? Aus welchen Gründen nicht?
    d) Inwiefern wird sichergestellt, dass Eigenerklärungen und Code of Conducts nicht als gleichwertig glaubwürdige Nachweise zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen anerkannt werden, da diese Absichtserklärungen nicht von unabhängigen Dritten kontrolliert werden?
    e) Inwiefern wird die konsequente Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 23.06.2010 (zu Antrag V/2010/08803) gegen ausbeuterische Kinderarbeit und für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen sichergestellt? Darin heißt es u.a.: „Der Auftragnehmer und seine Unterauftragnehmer sind verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrages die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit gemäß der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 18. Juni 1998 einzuhalten. (…) Entsprechende Nachweise sind über geeignete Gütesiegel, Label oder Zertifikate zu
    erbringen.“
  3. Das Umweltbundesamt gibt in seinem neu herausgegebenen „LEITFADEN ZUR UMWELTFREUNDLICHEN ÖFFENTLICHEN BESCHAFFUNG // 2022, Grafische Papiere und Kartons aus 100 % Altpapier (Recyclingpapier und -karton)“ klare Empfehlungen für die nachhaltige Beschaffung von Papier und Karton (vgl. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_leitfaden_recyclingpapier.pdf). Auf Anfrage unserer Fraktion im November 2020 wurde im Juni 2021 über die Nutzung von Recycling-Papier in den Eigenbetrieben und städtischen
    Unternehmen informiert (vgl. Antwort vom 29.06.2021 auf Anfrage VII/2020/01940). Im Ergebnis verwenden leider zahlreiche städtische Unternehmen noch kein Recyclingpapier oder erfassen keine Papiersorten.
    a) Inwieweit wird seitens der Stadtverwaltung bei den städtischen Unternehmen für eine ressourcenschonende Nutzung von Recycling-Papier geworben? Konnten im letzten Jahr weitere städtische Beteiligungsunternehmen von den Vorteilen der Nutzung von Recyclingpapier überzeugt werden?
    b) Alle städtischen Schulen in Halle können Recycling-Papier direkt über die Stadtverwaltung beschaffen. Wie hat sich durch dieses Angebot der aktuelle Stand der Nutzung von Recycling-Papier mit Siegel Blauer Engel in den Schulen der Stadt Halle gegenüber 2018/2019 verändert – vgl. Antwort auf Anfrage VII/2020/01940?Wie viele Schulen beschafften in den Jahren 2020 und 2021 in welchen Mengen Recycling-Papier über die Stadtverwaltung Halle?
    c) Wie stellt die Stadtverwaltung sicher, dass bei der Beauftragung von Druckerzeugnissen durch externe Anbieter die Nutzung von Recycling-Papier
    garantiert wird?
  4. Vor einigen Jahren gab es ein Projekt zur Beschaffung fairer Sportbälle für Schulen in Halle. Inwieweit hat sich dieses Projekt verstetigt und wie viele Schulen in Halle beschaffen ihre Sportbälle inzwischen mit dem Fairtrade-Siegel?
  5. Produkte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik werden in Halle über das städtische Unternehmen IT-Consult Halle GmbH beschafft. Der IT-Dienstleister kauft einen Teil der Geräte und Materialien bereits mit den Siegeln Blauer Engel und TCO-Certified ein. Wie hoch ist der Anteil der neu angeschafften IT-Geräte mit den Siegeln Blauer Engel und TCO-Certified?
  6. Natursteine sind ebenfalls eine sensible Produktgruppe, bei der auf Nachhaltigkeitskriterien geachtet werden sollte. Welche Ausschreibungen von
    Natursteinen wurden in den Jahren 2020 und 2021 mit Sozial- und Umweltkriterien unter Einbeziehung von Siegeln (XertifiX, Win=Win FaIRSTONE, IGEP) realisiert? Wie viel Prozent aller Ausschreibungen mit Natursteinen in den Jahren 2020 und 2021 entspricht dies?
  7. In der Projektgruppe „Fairtrade-Town“ wurde von der Stadtverwaltung darüber informiert, dass generell relativ wenig Blumen seitens der Stadt Halle beschafft werden. Wenn aber Blumensträuße gekauft werden, wie wird dann gewährleistet, dass sozial gerecht produzierte Blumen mit dem Fairtrade-Siegel oder saisonal regional angebaute Blumen gekauft werden?
  8. Insbesondere durch den Eigenbetrieb Kindertagesstätten wird Spielmaterial neu gekauft. Bei wie viel Prozent der Anschaffungen in diesem Bereich wurde in den Jahren 2020 und 2021 auf Umwelt- und Sozialstandards geachtet? Was wurde dabei beschafft und welche Kriterien wurden dabei jeweils beachtet?
  9. Sowohl die Stadtverwaltung als auch die städtischen Eigenbetriebe beschaffen Textilien. Verschiedene Beschaffungsvorgänge bei Feuerwehr und Eigenbetrieb Arbeitsförderung wurden in der Vergangenheit bereits erfolgreich unter Einbeziehung von Sozial- und Umweltsiegeln realisiert. Für Ausschreibungen bzw. Kriterien/Siegel für diese Produktgruppe können der Nachhaltigkeitskompass (https://www.kompass-nachhaltigkeit.de) oder die Website Siegelklarheit (https://www.siegelklarheit.de) genutzt werden. Welche Beschaffungsvorgänge im Bereich Textilien wurden in den folgenden und ggf. weiteren Fachbereichen und städtischen Eigenbetrieben unter Einbeziehung der entsprechenden Umwelt- und Sozialsiegel in den Jahren 2020 und 2021 durchgeführt: Fachbereich Sicherheit, Fachbereich Umwelt, Fachbereich Gesundheit, Fachbereich Immobilien, Eigenbetrieb Arbeitsförderung? Wie viel Prozent aller Ausschreibungen im Bereich Textilien entsprach dies in den jeweiligen Fachbereichen und Eigenbetrieben inden beiden Jahren?

gez. Melanie Ranft
Fraktionsvorsitzende

Vorlagennummer / Link zum Ratsinformationssystem: 

VII/2022/04578
(dort sind auch Verwaltungsstandpunkte, Abstimmungsergebnisse und Beantwortungen zu finden)

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