Nachhaltige Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnologie (Green IT)

Update

Der Antragstext wurde von unserer Fraktion überarbeitet, um die in dessen ausführlicher Beratung in den Fachausschüssen erlangten Informationen der Stadtverwaltung und Reaktionen der anderen Fraktionen abzubilden – die aktuellste Fassung (vom 29.06.2012) finden sie hier als pdf-Datei verlinkt (32 kb).


[Ursprünglich beantragte Fassung]

Beschlussvorschlag

  1. Die Stadt Halle (Saale) verpflichtet sich zur energiesparenden, ressourcenschonenden und auf Langfristigkeit ausgerichteten Nutzung von Geräten und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie.
  2. Für oder durch die Stadtverwaltung angeschaffte Geräte müssen zukünftig mindestens den Anforderungen der jeweils aktuellen Fassungen anerkannter Umweltgütezeichen und Zertifizierungen in diesen Bereichen entsprechen, und sollen zu den jeweils ressourcenschonendsten, wartungsfreundlichsten, langlebigsten und effizientesten Geräten ihrer Klasse gehören. Dies sollte ebenso für Datenverarbeitungsverfahren von Dienstleistern gelten.
  3. Die konkreten Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung dieser Ziele werden nach jeweils drei Jahren evaluiert und an den dann jeweils aktuellen Stand der Technik angepasst.

Begründung

Die zunehmend einfachere und selbstverständlichere Nutzung moderner Informationsverarbeitungs- und Kommunikationstechnologien (ITK) lässt leicht vergessen, dass zu deren Produktion und Nutzung ein immenser Ressourcen- und Energieaufwand vonnöten ist.[1]

Diesen Verbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und unnötigen Müll zu vermeiden, sollte verbindliche Leitlinie auch für den halleschen Einsatz von ITK-Produkten und Dienstleistungen werden – sowohl vor dem Hintergrund unserer Verantwortung für Umwelt und Klima, als auch im Interesse der Vermeidung unnötiger Ausgaben im städtischen Haushalt. Insbesondere sollten wir uns im Interesse des städtischen Haushalts von einer Sichtweise verabschieden, die den IT-Stromverbrauch nur als nicht zu beeinflussenden Posten sieht. Jede an einem Arbeitsplatz nicht verbrauchte Kilowattstunde Strom muss schließlich nicht nur nicht produziert, sondern auch nicht eingekauft werden.

Wir beantragen daher, dass bei allen zukünftigen Veränderungen, Umstellungen und Neubeschaffungen beim ITK-Einsatz nicht nur die konkreten fachlichen Anforderungen des zu verändernden Verfahrens oder Arbeitsplatzes in Betracht gezogen, sondern immer auch die Gesichtspunkte Ressourcen- und Verbrauchsminderung verbindlich in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden. Dies soll sowohl direkte Ausschreibungen durch die Stadtverwaltung selbst betreffen, als auch jegliche Dienstleistungsvereinbarungen mit Dritten, wie der Stadtwerke-Tochter IT-Consult, die momentan für den Großteil der städtischen IT verantwortlich sein dürfte.

Green IT

Unter dem Schlagwort „Green-IT“ wird inzwischen ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Reduktion der Umweltfolgen, des CO2-Ausstoßes und des Stromverbrauchs der ITK verhandelt. Dies basiert auf einer zunehmend bewussten Wahrnehmung der vielfältigen Umweltfolgen und Kosten, die bei Erschließung der Ausgangsmaterialien, der Produktion, den oft weiten Transportwegen und dem Einsatz der Geräte sowie schließlich bei der – sehr oft noch nicht fachgerechten – Entsorgung entstehen.[2]

Im Bereich des Stromverbrauchs der ITK schlummert noch ein erhebliches Einsparpotential. Die Deutsche Energie-Agentur dena berichtet in einer Auswertung einer Umstellung von Arbeitsplätzen im Bundeswirtschaftsministerium in den Jahren 2010/2011 von einem Stromeinsparpotential von 68% infolge der zukünftigen Verwendung von energie- und materialeffizienten Laptop-Arbeitsplätzen im Vergleich zur vorherigen Nutzung energieintensiver PC-Arbeitsplätze.[3] Moderne Laptops verbrauchen bei geringer Prozessorlast (Leerlauf) inzwischen oft unter 10, selten aber mehr als 15 Watt pro Stunde. Selbst optimal konfigurierte aktuelle PCs kommen kaum auf unter 30 Watt und viele der noch in der Stadtverwaltung eingesetzten Geräte verbrauchen sehr viel mehr Strom. Entsprechend sollten Einsparpotentiale grundlegend bei allen Arbeitsplätzen und Anlagen überprüft werden, spätestens dann, wenn turnusgemäße Ersatzmaßnahmen anstehen.

Unter Umweltschutzgesichtspunkten ist der laufende Stromverbrauch eines Computers aber nur eine Seite der Medaille. In einer konsequenten Lebenszyklusbetrachtung sollten auch die Umweltfolgen eines Gerätes durch Produktion und Entsorgung berücksichtigt werden.[4] Obwohl in der Produktion möglichst energiesparende Geräte unter Verzicht auf problematische Inhaltsstoffe technisch durchaus  möglich wären, bleibt die produzierende Industrie noch eher verhalten in der Umsetzung besserer Standards. Selbstverpflichtungen haben bisher regelmäßig nicht zu wünschenswerten Verhaltensänderungen in der Produkt- und Produktionspolitik geführt – beispielsweise könnte man im Verzicht auf bromierte Flammschutzmittel (BFR) oder (schädliche Weichmacher im) PVC viel weiter sein. Andererseits führten Fälle gesetzgeberischer Normsetzung oft zu relativ problemloser technischer Umsetzung – als Beispiel sei nur auf die EU-Öko-Design-Richtlinie (2005/32/EG) verwiesen, die für ab dem 7.1.2010 verkaufte Geräte einen Standby-Stromverbrauch von nicht mehr als einem Watt erfolgreich einforderte.

Doch Gesetzgebungsverfahren dauern lange, bis dahin können Verbraucher mit bewussten Kaufentscheidungen sehr viel mehr Druck auf die Industrie ausüben, indem sie ressourcen- und verbrauchseffiziente Geräte nachfragen. An diesem Punkt kommt der öffentlichen Hand als Großverbraucher und Großkunde eine besondere Verantwortung zu. Wir beantragen, dass sich die Stadt Halle (Saale) genau dazu bekennt und diese Ziele zukünftig in allen Ausschreibungen, Aufträgen, Verträgen und Vereinbarungen mit beachtet.

Da Zertifikate wie Blauer Engel, TCO oder das EU-Umweltlabel in ihren Zertifizierungsprozessen oft der schnellen Branchenentwicklung hinterherhinken, können sie in diesem Bereich keine ausreichende Orientierung bieten. Vielmehr soll sich die Stadt beim Einsatz neuer Geräte darüber hinaus an den jeweils effizientesten Angeboten am Markt orientieren.

Zur Reduktion des städtischen Energieverbrauchs müssen auch die konkreten Einstellungen der eingesetzten Geräte (Standby-Einstellungen u.ä.) optimiert sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine energiesparende Nutzungsweise informiert werden.

Nicht zuletzt sollte der Fokus von Einsparungsbemühungen nicht nur auf die einzelnen Arbeitsplätze gelegt, sondern es sollte auch die zentrale Rolle der Datennetze sowie zentraler Strukturen und Rechenkapazitäten wie Rechenzentren und Server nicht vernachlässigt werden.[5] Entsprechende Maßnahmen sind natürlich nicht nur für die Kernverwaltung sinnvoll. Das Einsparpotential wird umso größer, wenn die Eigenbetriebe, städtische (Tochter)Firmen und eventuell sogar die Schulen mit in die Bemühungen einbezogen werden.

Inzwischen stehen eine breite Palette von Erfahrungen anderer staatlicher Einrichtungen und Kommunen sowie Handreichungen wie beispielsweise das gemeinsame Internet-Portal von Umweltbundesamt und Branchenverband BITKOM[6] oder das der Deutschen Energie-Agentur[7] zur Orientierung zur Verfügung. Darüber hinaus könnte es lohnenswert sein, sich um Fördermittel zu bewerben – so hat beispielsweise das Bundesumweltministerium schon 2009 den Förderschwerpunkt „IT goes green“ ausgelobt[8].


[1] Eine Studie für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) kam bereits für das Jahr 2007 auf einen ITK-Anteil am gesamten deutschen Stromverbrauch von 10,5 Prozent und prognostiziert bis 2020 eine Verdoppelung des Verbrauchs, sollten keine einschneidenden Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz unternommen werden.
siehe: „Abschätzung des Energiebedarfs der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft“ unter http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=305306.html

[2] Siehe beispielsweise die Aufklärungsarbeit, die Greenpeace mit den Initiativen bzw. Studien „Guide to Greener Electronics“ (www.greenpeace.org/international/en/campaigns/toxics/electronics/Guide-to-Greener-Electronics/) und „How dirty is your data?“ (www.greenpeace.org/international/en/publications/reports/How-dirty-is-your-data/) betreibt.

[3] www.energieeffizienz-im-service.de/it-geraete/online-ratgeber/fallstudie-zum-einsparpotenzial.html

[4] siehe dazu bspw. Studie „Thin Clients 2011 – Ökologische und ökonomische Aspekte virtueller Desktops“ des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik unter http://it.umsicht.fraunhofer.de/TC2011/

[5] In dieser Hinsicht konnte beispielsweise das Leipziger Rechenzentrum gerade einen Klimaschutzpreis der Deutschen Umwelthilfe gewinnen: www.duh.de/2928.html

[6] www.itk-beschaffung.de

[7] www.energieeffizienz-im-service.de

[8] www.bmu.de/foerderprogramme/doc/43352.php


Status

Nach langer Beratung und grundlegender Überarbeitung wurde der Antrag auf der Stadtratssitzung im Juli 2012 überraschend von einer Ratsmehrheit gegen die Stimmen unserer Fraktion für „erledigt“ erklärt.


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