Antrag zur Erarbeitung eines verbindlichen Vertretungssystems in der Kindertagespflege

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadt Halle entwickelt, z.B. auf Grundlage existierender best-practice-Beispiele, ein wirksames Vertretungssystem für die Kindertagespflege und legt dem Stadtrat bis Juni 2019 einen Umsetzungsvorschlag dazu vor. Idealerweise sind Fachkräfte aus der Praxis in den Erarbeitungsprozess einzubeziehen.
  2. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ein System zur statistischen Erfassung von Vertretungsfällen (Urlaub, Krankheit, Fortbildung) sowie eine dafür geeignete Verfahrensweise zu erarbeiten. Die dazu erforderliche Mitwirkung der Kindertagespflegestellen wird in die Vertragsgestaltung aufgenommen.
  3. Die Richtlinie über die Tagespflege in der Stadt Halle (Saale) gemäß §§ 23,24 SGB VIII und KiFöG LSA wird dementsprechend angepasst.
  4. In den Haushalt 2020 werden entsprechende Aufwendungen zur Initiierung und Umsetzung des Vertretungssystems eingeplant.

gez. Dr. Inés Brock
Fraktionsvorsitzende

Begründung:

Die Kindertagespflege stellt eine gute Betreuungsvariante für Kleinst- und Kleinkinder dar. Für deren Attraktivität ist ein verbindliches und nutzerfreundliches Vertretungssystem von hoher Bedeutung. Gespräche mit Tagespflegepersonen und betroffenen Eltern haben ergeben, dass hinsichtlich der Ersatzbetreuung Optimierungsbedarf besteht.

Aus den Antworten der Anfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (VI/2018/04076 und VI/2018/04379) geht hervor, dass im Jahr 2018 von insgesamt 34 Tagespflegen eine Kindertagespflegeperson 3 Kinder, alle anderen Kindertagespflegen in der Regel 5 Kinder und somit die zulässige Höchstzahl an Kindern betreuen. Für die in der Richtlinie definierten Vertretungsvarianten „Vertretung durch eine andere Tagespflegeperson“ sowie „Vertretung durch andere mehrere Tagespflegepersonen“ sind somit rechnerisch freie Kapazitäten für die Ersatzbetreuung nicht verbindlich möglich.

Die weitere aktuell angewendete Vertretungsvariante, ehemalige Tagespflegepersonen, die keine Tagespflege mehr betreiben, einzusetzen, unterliegt unserer Ansicht nach zu großen Schwankungen bezüglich ihrer kontinuierlichen Verfügbarkeit. Weiterhin kommt diese Vertretungsvariante für Kindertagespflegepersonen, welche die Kinder im eigenen Haushalt betreuen, nicht in Betracht.

Die 5 im Springerpool des Eigenbetriebes eingesetzten Erzieher*innen werden aktuell nur in Einrichtungen des Eigenbetriebes eingesetzt und stehen nicht für die Ersatzbetreuung in Kindertagespflegen vor Ort zur Verfügung.

23 Kindertagespflegen haben zusätzlich eine Vereinbarung für die Betreuung der Kinder in Einrichtungen des Eigenbetriebes für Kindertagesstätten abgeschlossen. Zu deren praktischer Anwendung führt die Stadtverwaltung keine Statistik. Weiterhin gibt es zur Absicherung der Vertretung keine Kooperationen zwischen Kindertagespflegen und einzelnen Einrichtungen. Vielmehr erfolgt im Bedarfsfall die Vermittlung von Plätzen durch die Stadt Halle. Das kann dazu führen, dass Kinder, je nach vorhandenen Platzkapazitäten, in verschiedenen Kindertageseinrichtungen der Stadt untergebracht werden. Diese Vorgehensweise ist aus unserer Sicht im Sinne der Kleinst- und Kleinkinder nicht angemessen, da sie permanenten Wechseln von Betreuungspersonen und Räumlichkeiten ausgesetzt sind.

Ziel dieses Antrages ist es, eine zeitnahe und angemessene Ersatzbetreuung in (planbaren) Urlaubsfällen sowie Krankheitsfällen zu gewährleisten und den Eltern, Kindern sowie Tagespflegepersonen diesbezüglich Sicherheit zu geben. Weiterhin sollen Ersatzbetreuungsvarianten angeboten werden, die das Wohlergehen des Kindes im Blick haben und sichern. Übergeordnet soll dieses verbindliche und dem Kindeswohl angemessene Vertretungssystem die Attraktivität der Betreuungsform Kindertagespflege erhöhen.

Für die Optimierung des Vertretungssystems sind verschiedenste Varianten von Ersatzbetreuung und deren Kombination denkbar, z.B. mobile Tagespflegepersonen, das Stützpunkt- und Tandemmodell usw., siehe dazu z.B. die (innerhalb des Aktionsprogrammes Kindertagespflege im Jahr 2010 erarbeitete) Handreichung des Deutschen Jugendinstitutes zu Vertretungsmodellen in der Kindertagespflege, die „Richtlinie zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege in der Landeshauptstadt Dresden“ sowie Entwicklungen innerhalb des Bundesprogrammes „Kindertagespflege – Weil die Kleinsten große Nähe brauchen“.

Die Ersatzbetreuung durch eine Kindertagesstätte des Eigenbetriebes betreffend, sollte aus unserer Sicht das Kooperationsmodell möglichst in regionalem Umfeld angestrebt werden. Diese Kooperationen können durch regelmäßige gegenseitige Besuche und Aktivitäten gelebt werden. Somit werden Bindungen zwischen Kindern und Erzieher*innen aufgebaut, die Räumlichkeiten und Gegebenheiten der Kindertageseinrichtung kennengelernt. Gleichzeitig wird für relevante Kinder und deren Eltern die Gestaltung des Übergangs Kindertagespflege – Kita ermöglicht.

Durch das Führen einer Statistik zu Urlaubs- und Krankheitsfällen sowie der Ersatzbetreuung sind perspektivisch Steuerungen/Anpassungen von Ersatzbetreuungsvarianten möglich. Durch die Etablierung eines wirksamen Vertretungsmodells dürfen weder für die Eltern noch für die Tagespflegepersonen zusätzliche Kosten entstehen.

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