Rede zum Haushaltsplan 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wieder einmal ist Haushaltsberatung, wieder einmal haben wir den Höhenpunkt der Stadtratsarbeit erreicht und im Vergleich zum letzten Jahr heißt es: same procedure as last year, same procedure as every year.

Und wahrscheinlich würde es kaum jemand merken, wenn ich die Rede vom letzten Jahr mit aktualisierten Zahlen noch einmal halten würde. Aber ich kann Sie beruhigen. Ich werde versuchen, die Dinge hervorzuheben, die sich in diesem Jahr etwas anders darstellen.

Im letzten Jahr hatte ich das Thema Bürgerhaushalt nicht erwähnt, weil wir hier im Rat in großer Einmütigkeit den Beschluss gefasst haben, in diesem Jahr eine echte Bürgerbeteiligung zu starten. U. a. sollten Bürgerforen, Kommentarfunktionen und ein Haushaltsrechner laut Beschluss in Betracht gezogen werden.

Stattdessen wurde von der Verwaltung nur eine einzige Frage an den Bürger weitergegeben: „Durch welche Maßnahmen und Initiativen kann aus Ihrer Sicht der städtische Haushalt entlastet werden?“

Meine Damen und Herren, das ist viel zu wenig, so kann keine echte Bürgerbeteiligung aussehen und entsprechend mangelhaft war die tatsächliche Beteiligung (31 Rückmeldungen). Insgesamt kann daher von einer wirklichen Bürgerbeteiligung und einem Bürgerhaushalt nicht die Rede sein.

In diesem Jahr soll der Haushalt der Stadt mit einem Fehlbedarf von rund 25 Mio. € abschließen. Mit Haushaltsentwurf vom 10.01.2011 hatte die Verwaltung dem Stadtrat noch einen Haushalt mit einem strukturellen Defizit in Höhe von ca. 32 Mio. € vorgelegt. Die Reduzierung konnte allerdings nur durch weitere Kürzungen einerseits in den Bereichen Kultur- und Sportförderung, Soziales und Jugendhilfe und andererseits bei verschiedensten Sachausgaben (z. B. Stabsstelle Sport) erreicht werden.

Herr Geier hat gesagt, eine Stadt muss auch leben. Und ich möchte hier betonen für unsere Fraktion, natürlich hängt das städtische Leben vor allem auch von dem Leben in diesen Bereichen ab, von dem Leben von Aktiven und Initiativen, die hier in der Stadt tätig werden.

Und dennoch sucht man am allerehesten bei diesen Vereinen und Verbänden nach Kürzungsmöglichkeiten sowie bei den Gebühren, die für die Nutzung der Sportanlagen eingetrieben werden sollten. Herr Dr. Meerheim hat es bereits erwähnt. Und Herr Geier, deswegen finde ich es wichtig, dass wir diesen Kürzungen in den Haushaltsberatungen einen Riegel vorgeschoben haben.

Aber ganz wie im letzten Jahr zeigen die 25 Mio. € wieder nur einen Teil des ganzen Dilemmas, dem wir hier ausgesetzt sind. Denn nach wie vor haben wir keine ausreichenden Mittel eingeplant, um z. B. den städtischen Gebäudebestand zu erhalten.

Herr Geier, Sie haben unseren Antrag erwähnt, ohne uns ausdrücklich zu nennen. Ich sage es jetzt noch einmal deutlich: von uns, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kam dieser Antrag, 2,5 Mio. € für die Erhaltung des städtischen Gebäudebestandes einzusetzen. Wir haben das nicht beantragt, um irgendwelche Einnahmen zu erhöhen oder Ähnliches, sondern wir sind der Meinung, dass neben den Notreparaturen, die jetzt nur möglich sind, dass es auch möglich sein muss, den städtischen Gebäudebestand Instand zu halten. Und nur darum geht es mit diesen zusätzlichen 2,5 Mio. €.

Meine Fraktion hat im Finanzausschuss versucht, den Zuschuss an das ZGM zu erhöhen, um neben Notreparaturen wenigstens notwendige Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen. Aus meiner Sicht gehört es auch zum Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit, den schleichenden Wertverlust der Gebäude im Haushalt zu vermeiden.

Außerdem weiß jeder Hausbesitzer, dass ihn unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen irgendwann mal wieder einholen. Aber wenn man wartet, bis es gar nicht mehr anders geht, dann sind diese Mittel, die man einsetzen muss, um ein Vielfaches höher als die, die man einsetzen müsste, wenn man sie planmäßig anlegt. Und deswegen wäre eine solche Ausgabe auch nachhaltig und deswegen würde sie auch mit den Haushaltsgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit übereinstimmen.

Aber immerhin – das ist positiv zu vermerken – wurden unsere gemeinsamen Anträge mit der SPD-Fraktion zur Unterhaltung der Grünflächen und mit der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion zur Erhaltung des Baumbestandes berücksichtigt.

Ausdrücklich möchte ich auch begrüßen, dass in letzter Minute noch eine Änderung beim Halle-Pass durch die Verwaltung eingebracht wurde, so dass diese Mittel im Haushalt verbleiben.

Der Blick in den Vermögenshaushalt verrät, dass schon sehr lange nicht mehr das finanzierbar ist, was sinnvoll und wünschenswert wäre. In Zeiten knapper Kassen müssen Prioritäten gesetzt werden. Längst überfällig ist daher eine Diskussion im Rat über die Verteilung der immer weniger werdenden Mittel.

Dazu haben wir einen Antrag eingereicht, der z. Z. in den Ausschüssen beraten wird. Ich hoffe, dass der Antrag schon in der Stadtratssitzung im Mai beschlossen werden kann und die Stadtverwaltung dann umgehend eine Prioritätenliste vorlegt, die dann wiederum die Grundlage für die HH-Beratungen 2012 darstellt.

Die im Haushalt vorhandenen Investitionsmittel werden durch die Mammutprojekte, wie beispielsweise Stadionneubau, HES Delitzscher Straße und die Schwimmhalle Robert-Koch- Straße gebunden. Die verbleibenden Investitionsmittel sind so knapp, dass die Stadt nicht einmal die notwendigen Brandschutzmaßnahmen in Schulen und Kitas in Auftrag geben kann.

Im Jahr 2007 hat die Oberbürgermeisterin es noch als realistisch bezeichnet, dass bis zum Jahr 2012 alle Schulen und Kindergärten in Halle saniert sind. Mich würde interessieren, nachdem dieses Ziel in weite Ferne gerückt ist, ob nun dafür wenigstens noch ein Zeitplan existiert.

Während der Haushaltsberatung hat der Finanzausschuss mit großer Mehrheit den Auftrag erteilt, 2 Mio. € für Brandschutzmaßnahmen nach Prioritäten zu verteilen. Ich bin sehr gespannt, ob die Verwaltung das auch sachgerecht umsetzen kann. Im Rahmen der Diskussion hat die Verwaltung nämlich nicht erkennen lassen, dass sie beide Bereiche – also Schulen und Kitas – im Blick hat und die Mittel nach den tatsächlichen Prioritäten verwenden kann.

Obwohl die Gelder für Investitionen so knapp sind, wird aber parallel weiterhin an fragwürdigen Projekten, wie z. B. am Ausbau des Gimritzer Damms festgehalten. Nun ist zwar nicht mehr von einem vierspurigen Ausbau der Straße die Rede, aber eigentlich müssten wir uns endlich eingestehen, dass dieses Projekt in einer ehrlichen Prioritätenliste ganz weit unten angesiedelt wäre.

Spannend ist auch der Blick in das Haushaltskonsolidierungskonzept.

Herr Dr. Meerheim hat schon erwähnt, dass die Verwaltung ab 2012 weiterhin mit höheren Einnahmen aus einem geänderten und dann aufgabenbezogenen FAG rechnet, obwohl schon jetzt klar ist, dass dies von der Kommunalaufsicht nicht akzeptiert wird. Denn Magdeburg hatte diesen Trick auch versucht und wurde vom Landesverwaltungsamt bereits im Januar zurecht gewiesen.

Beim Stichwort Finanzausgleichsgesetz bin ich wieder bei der Frage nach den Ursachen des Desasters. Dass die Stadt vom Land keine ausreichenden Mittel erhält, steht fest. Die von der Landesregierung selbst eingesetzte Strukturkommission hat festgestellt, dass 30 Mio. € jährlich mehr nach Halle fließen müssten, damit allein die Aufgaben finanziert werden könnten, die das Land der Stadt zugewiesen hat. Soweit waren wir auch im letzten Jahr schon.

Und dementsprechend haben fast alle politischen Parteien in ihren Landtagswahl-Programmen Lösungen versprochen. Die SPD wollte das FAG ab 2012 weiterentwickeln. Die CDU ging sogar noch weiter, da hieß es im Programm klar und eindeutig: „Der Finanzausgleich hat ab 2012 aufgabenbezogen zu erfolgen.“

Wer sich aber den Koalitionsvertrag ansieht, wird bitter enttäuscht. Es fehlt nämlich ein klares Bekenntnis zu einem aufgabenbezogenen FAG und auch wann das FAG umgestellt werden soll, bleibt offen. Sicher ist nur, dass im nächsten Jahr alles beim Alten bleibt.

Vor einem neuen FAG soll in einem unabhängigen Gutachten die Angemessenheit kommunaler Ausgaben untersucht werden. Und schließlich soll noch ein Verfahren zur Stadt-Umland-Umlage in Mecklenburg-Vorpommern abgewartet werden. Was ein Urteil zur Stadt-Umland-Umlage in Mecklenburg-Vorpommern mit dem FAG in Sachsen-Anhalt zu tun hat, muss mir mal jemand erklären. Tatsächlich versucht man mit solchen Formulierungen die dringend notwendige Umstellung des FAG nur auf die lange Bank zu schieben.

Herr Krause, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, das Land verletzt damit den Geist der Verfassung und ich wünsche mir, dass Ihre Fraktion, dass die hier anwesenden Mitglieder der Regierungskoalition in Zukunft darauf größeren Wert legen.

Deshalb bleibt bedauerlicherweise eines festzuhalten: In der finanzpolitischen Agenda der Landesregierung stehen die Nöte der kreisfreien Städte ganz hinten an und die geplanten Zusatzeinnahmen der Stadt durch ein geändertes FAG sind reines Wunschdenken.

Ein weiteres altbekanntes Problem sind übrigens auch die nicht erfolgten Eingemeindungen. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD von 2006 war noch festgelegt, dass sich die Umlandgemeinden an den finanziellen Lasten der kreisfreien Städte beteiligen sollten. Dies sollte im FAG abgesichert werden.

Nun im Koalitionsvertrag von 2011 existiert das Stadt-Problem-Problem nicht mehr. Nach Kuschelwahlkampf ist also Kuschelkoalition angesagt, in der schwierige Entscheidungen einfach ausgeblendet werden – zum Schaden der Stadt Halle.

Meine Damen und Herren, von Lösungen beim FAG und bei den Eingemeindungen hängt sehr viel für den Haushalt der Stadt ab. Deshalb habe ich auch so viel Zeit darauf verwendet.

Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass ich die falschen Prioritäten der Stadt verteidigen möchte. Die Mittel für den Stadionneubau werden in diesem Jahr haushaltswirksam. Und ich wundere mich, dass Sie, Herr Geier, wo Sie den Sport so oft erwähnt haben, zu dem Stadionneubau kein einziges Wort verloren haben. Und plötzlich entdeckt man auch im Zusammenhang mit dem Stadion zusätzliche Ausgaben für die Interimslösung am Stadion Neustadt. Dort wurden 130.000 € für zusätzliche Toiletten von der Stadt finanziert. Einen Beschluss des Rates oder einer seiner Ausschüsse dazu war trotz intensiver Suche nicht zu finden.

Und nach wie vor ist nicht erkennbar, dass sich die Verwaltung ernsthaft darum bemüht, wie z. B. durch Energiesparmaßnahmen eine Haushaltsentlastung erreicht werden kann. Dabei ist der Bedarf nach wie vor riesig. Ich bin im Winter mit einer Wärmebildkamera durch die Stadt gefahren und das richtig plastisch vor mir gesehen. Bei der Sporthalle am Bildungszentrum Neustadt haben sich sogar die Graffiti auf der Wärmebildkamera zu erkennen. Wohlgemerkt, weil die Fassade an diesen Stellen besser isoliert war. Nur um jetzt Missverständnissen vorzubeugen: Ich möchte nicht dazu aufrufen, die städtischen Gebäude flächendeckend mit Graffiti zu überziehen, sondern die Gebäude endlich energetisch zu sanieren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem Haushalt diesmal wegen der genannten falschen Prioritäten und der mangelhaften Bürgerbeteiligung nicht zustimmen.

Wir haben sehr lange darüber diskutiert und uns die Entscheidung sehr schwer gemacht, denn einige haben darauf verwiesen, dass die Verwaltung in der vorläufigen Haushaltsführung bei der Auszahlung der ohnehin geringen Mittel an die Vereine und Verbände wieder wie im letzten Jahr nach Gutdünken verfahren würde.

Aber letztlich hat die Verwaltung klar gemacht, dass es zwischen vorläufiger Haushaltsführung und der Haushaltsführung einer Kommune in der Konsolidierung keinen Unterschied gibt. Außerdem wird das Landesverwaltungsamt nach unserer Einschätzung den Haushalt ohnehin nicht genehmigen, so dass wir ohnehin weiterhin in der vorläufigen Haushaltsführung bleiben werden. Diese Argumente haben dann schließlich in der Abwägung überwogen.

Abschließend möchte ich mich noch bei Herrn Geier und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Begleitung der Haushaltsberatungen bedanken. Wenngleich es manchmal schwer war, den aktuellen Stand nachzuvollziehen – z. B. wurde einen Tag vor der Abschlussberatung eine neue 312-seitige Vorlage erarbeitet – so konnte man deutlich erkennen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzservice sichtlich bemüht haben, die Mitglieder des Rates bestmöglich in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dafür vielen Dank!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Dieser Eintrag bezieht sich auf die Stadtratsvorlage V/2010/09413 (Haushaltssatzung und –plan 2010), die auf der Stadtratssitzung am 27.04.2011 abschließend beraten wurde.

Vielen Dank an das Protokollteam der Geschäftsstelle Stadtrat.

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