Der Stadtrat der Stadt Halle hat am 07.04.2021 beschlossen, dem Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale), Dr. Bernd Wiegand, gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten. Außerdem hat er beschlossen, die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung anzuordnen. Mit der heute erfolgten Zustellung der entsprechenden Verfügung an den Oberbürgermeister ist das Verbot der Dienstgeschäfte wirksam. Dazu erklären die Stadtratsfraktionen von FDP, LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und CDU:
Das mit deutlicher Mehrheit vom Stadtrat beschlossene Verbot der Dienstgeschäfte für den Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) ist zweifelsohne Ausdruck einer schweren kommunalpolitischen Krise in der Stadt Halle. Eine solche vom Stadtrat als oberster Dienstherr verhängte Maßnahme gegen den demokratisch gewählten Oberbürgermeister der Stadt, ist ein gravierender Schritt, der weder Anlass für Jubel noch für Schadenfreude gibt. Als die den Beschluss tragenden Fraktionen sind wir uns der durch die unmittelbare Wahl begründeten hohen demokratischen Legitimation des Oberbürgermeisters bewusst und messen ihr hohes Gewicht bei. Gleichwohl war der Beschluss des Stadtrates ein richtiger und notwendiger Schritt, um die vollständige Aufklärung der halleschen Impfaffäre herbeizuführen, das Ansehen der öffentlichen Verwaltung und der Kommunalpolitik wiederherzustellen und um weitere schwere Vertrauensverluste zwischen Stadtrat und Stadtverwaltung und in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Nicht vordergründig die eigene vorzeitige Covid19-Impfung des Oberbürgermeisters am 17. Januar dieses Jahres war ausschlaggebend für den Beschluss des Stadtrates. Insbesondere der bis heute fortwährende Umgang des Oberbürgermeisters mit der Impfaffäre und damit im Zusammenhang stehenden offenen Fragen, Verdachtsmomenten und Vorwürfen gegen ihn rechtfertigen das vorläufige Verbot seiner Dienstgeschäfte. Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand werden im Zusammenhang mit der Impfaffäre verschiedene Rechtsverstöße vorgeworfen, die zu einem Disziplinarverfahren des LVWA und zu einer staatsanwaltlichen Untersuchung geführt haben. Der Oberbürgermeister hat gegenüber dem Stadtrat und der Öffentlichkeit bis jetzt nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Vielmehr hat er Aufklärung aktiv verhindert und blockiert, sich gegenüber Presse, Öffentlichkeit und Stadtrat vielfach in Widersprüche und Unwahrheiten verwickelt und Verdachtsmomente gegen ihn selbst verstärkt, statt ausgeräumt. Etwa durch Bekanntwerden nachträglich gefertigter, vermutlich wahrheitswidriger Aktenvermerke zum so genannten Ad-hoc-Impfverfahren, mehrfach angepasster und scheibchenweise präsentierter „Wahrheiten“ und offenkundiger Behinderung der Arbeit des Stadtrates bis hin zu dessen Verächtlichmachung.
Die Folgen dieses Verhaltens sind gravierend. Das Ansehen der Stadt Halle (Saale) und seiner öffentlichen Verwaltung hat bundesweit Schaden genommen. Das Vertrauen des Stadtrats und der Öffentlichkeit in den Oberbürgermeister ist nachhaltig gestört. Durch die Fortführung der Dienstgeschäfte durch den Oberbürgermeister droht der Dienstbetrieb als auch die Aufklärung der Impfaffäre weiterhin erheblich beeinträchtigt zu werden. Dem öffentlichen Ansehen und der Effektivität der Verwaltung droht weiterer Schaden, wenn der Oberbürgermeister in Fortführung seiner Dienstgeschäfte weiterhin Möglichkeiten erhält, die Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe zu behindern. Aus diesen zwingenden dienstlichen Gründen war der Beschluss, dem Oberbürgermeister die Dienstgeschäfte zu verbieten, notwendig. Festzuhalten bleibt auch, dass sich der Umgang des Oberbürgermeisters mit der Impfaffäre in eine lange Kette von Vorfällen aus der Vergangenheit einreiht, mit denen der Oberbürgermeister den Stadtrat als Dienstherr unzulässig verladen hat. Auch wird nicht das erste Disziplinarverfahren gegen den Oberbürgermeister geführt.
Mit diesem Beschluss hat der Stadtrat einen demokratisch und rechtsstaatlich legitimierten Weg beschritten, der ihm als Dienstherr des Oberbürgermeisters nach dem Beamtenstatusgesetz zusteht. Unter Berücksichtigung der nach wie vor geltenden Unschuldsvermutung gegenüber dem Oberbürgermeister hat ein dem Stadtrat am 6. April 2021 zur Kenntnis gegebener Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft Halle noch stärkere Hinweise als bisher gegeben, dass das Verbot der Dienstgeschäfte gerechtfertigt ist.
Auch und gerade in der nach wie vor angespannten Pandemiesituation in Halle setzen wir Vertrauen in die vorläufige Amtsführung durch die vier Beigeordneten der Stadt. Wir gehen davon aus, dass sowohl die Verwaltung insgesamt als auch der Katastrophenschutzstab effektiv arbeiten. Ein Oberbürgermeister und Chef des Katastrophenschutzstabes kann und darf nicht unersetzbar sein, wenn Vertrauen aus gravierenden Gründen zerstört ist. Die Leistungsfähigkeit der halleschen Stadtverwaltung ruht auf den Schultern zahlreicher qualifizierter und engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen und in allen Fachbereichen. Nirgendwo lenkt ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin die Geschicke einer Stadt allein. Wir begrüßen es, wenn die Beigeordneten zeitnah in Gespräche mit den Stadtratsfraktionen zur weiteren Arbeit der Verwaltung und den anstehenden kommunalpolitischen Aufgaben treten.
Als Fraktionen des halleschen Stadtrats werden wir in den kommenden Wochen in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung alles daran setzen, das Ansehen der Stadt Halle und der Kommunalpolitik wiederherzustellen und zerstörtes Vertrauen zu heilen. Wir sind uns dessen bewusst, dass dazu auch gehört, die vorzeitigen Impfungen mehrerer Mitglieder des Stadtrats weiter aufzuarbeiten, zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen.
gez. Yana Mark
gez. Dr. Bodo Meerheim
gez. Melanie Ranft
gez. Dr. Inés Brock
gez. Eric Eigendorf
gez. Andreas Scholtyssek
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