Stadtrats-Telegramm 08/2020 (Oktober)

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

Am 25.10.2020 versammelten sich Halles Stadträt*innen erneut in Händelhalle. Grund hierfür ist – wie schon im September – die andauernde Coronavirus-Pandemie. Der Festsaal im Stadthaus am Marktplatz, in dem die Stadtratssitzung normalerweise stattfindet, ist zu klein, um die erforderlichen Abstände einzuhalten.

Tagesordnung

Wichtige Themen der Sitzung aus unserer Sicht waren:

  • Bebauungsplan Nr. 188 Kröllwitz, Wohnbebauung Wildentenweg – Aufstellungsbeschluss (VII/2020/01505)
  • Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu städtischen Fassadenbegrünungsprojekten (VII/2020/01825)
  • Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU für einen Masterplan „Saubere Saale“ (VII/2020/01827)

Bebauuungsplan Nr. 188 Kröllwitz – Aufstellungsbeschluss

Ein Investor plant im Norden des Stadtteils Kröllwitz den Bau mehrerer Ein- und Mehrfamilienhäuser. Das dafür vorgesehene Areal ist teilweise bewaldet. Eine Bürgerinitiative wehrt sich bereits seit mehreren Jahren gegen das Ausmaß der geplanten Bebauung, lehnt das Vorhaben aber nicht grundsätzlich ab. Die Stadtverwaltung unternahm einige Versuche, Investor und Bürgerinitiative miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Bürgerinitiative forderte vor allem den Erhalt des vorhandenen Waldes. Sie kritisierte darüber hinaus das Ausmaß der Versiegelung, weil die Entwässerung des Areals bereits mit der derzeitigen Bebauung Schwierigkeiten macht. Außerdem ist ein steigendes Verkehrsaufkommen zu erwarten, für das die vorhandenen Straßen nicht ausgelegt sind.

Bereits in der Einwohnerfragestunde ergriffen einige Vertreter*innen der Bürgerinitiative das Wort und brachten ihre Kritik in Form von Fragen an die Stadtverwaltung zum Ausdruck. Schon in den Ausschusssitzungen wurde ein erheblicher Diskussionsbedarf unter den Stadträt*innen deutlich. Zur Beschlussvorlage gab es zwei Änderungsanträge: Dr. Bergner von der CDU-Fraktion beantragte eine Überarbeitung und erneute Vorlage des Aufstellungsbeschlusses. Die Fraktion MitBürger & Die PARTEI will konkrete Bedingungen zum Erhalt des Waldbestandes und eine Verkleinerung der zu beplanenden Fläche festschreiben lassen. Diesen letzten Änderungsantrag hat die Stadtverwaltung im Laufe der Sitzung in ihre Beschlussvorlage übernommen.

Unsere Fraktion hatte sich entschieden, gegen den Aufstellungsbeschluss in der vorliegenden Form zu stimmen. Aus der Erfahrung im Umgang mit zahlreichen anderen Bebauungsplänen ergab sich für uns wenig Hoffnung, dass Änderungsanträge – selbst wenn sie im Stadtrat eine Mehrheit finden – substanzielle Änderungen im Bebauungsplan selbst zur Folge haben. Deshalb war unsere Strategie, den Aufstellungsbeschluss abzulehnen und damit Druck auf den Investor auszuüben, stärker als bisher auf die Kritik an seinem Vorhaben einzugehen. Nach langer Diskussion, unterbrochen von einigen Geschäftsordnungsanträgen, wurde der Beschluss mit knapper Mehrheit (Ja: 22, Nein: 25, Enthaltungen: 3) abgelehnt.

Antrag zu städtischen Fassadenbegrünungsprojekten

Die Vorteile von Fassadenbegrünungen im Stadtraum liegen auf der Hand, begrünte Fassaden erhöhen u.a. die Aufenthaltsqualität und verbessern die Luftqualität. Sie sorgen für Abkühlung und befördern die Artenvielfalt. Diese und zahlreiche weitere Aspekte hat die Stadtverwaltung auf der städtischen Homepage unter http://www.halle.de/de/Verwaltung/Umwelt/Klima-Energie-und-M-06752/Fassadenbegruenung-F-09788/ aufgelistet.

Seit 2017 werden in Halle Fassadenbegrünungsprojekte auf Antrag durch geringe städtische finanzielle Zuschüsse unterstützt. Aufgrund der Tatsache, dass das Programm in der Praxis nicht im gewünschten Umfang in Anspruch genommen wird, hat der Stadtrat auf Initiative der SPD-Fraktion im März 2019 eine Überarbeitung der Richtlinie beschlossen. Seither wurde eine Umsetzung des Beschusses zwar immer wieder angekündigt, aber leider wurden dem Stadtrat bisher keine neuen Vorschläge vorgelegt.

Nachdem die Stadtverwaltung über einen sehr langen Zeitraum zwei Fassadenbegrünungsprojekte an Schulgebäuden in Halle-Neustadt umsetzen wollte, wurde zuletzt auf schriftliche Anfrage hin im Junistadtrat 2020 mitgeteilt, dass diese nun doch als nicht geeignet bewertet werden (vgl. Antwort zu Anfrage VII/2020/01347).

Deshalb schlagen wir mit unserem Antrag vor, dass die Stadt künftig im Rahmen der Vorbildwirkung selbst regelmäßig eigene Fassadenbegrünungsprojekte realisiert und bewirbt sowie bei den städtischen Wohnungsunternehmen ebenfalls entsprechende Maßnahmen anregt.

Unser Antrag wurde von der SPD-Fraktion in den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Ordnung verwiesen.

Antrag „Saubere Saale“

Das Kanalisationssystem in Halle ist von seinen Erbauer*innen als ein Mischsystem errichtet worden: Abwässer aus den Haushalten und Betrieben der Stadt werden gemeinsam mit dem gesammelten Regenwasser in Kanälen in Richtung Klärwerk abgeleitet. Damit dieses System nicht platzt, wenn es einmal viel Regen gibt, befinden sich entlang des Hauptsammlers, der zum größten Teil parallel zur Saale verläuft, mehrere Überläufe. Ist zu viel Wasser im Kanal, läuft das Wasser dort ungeklärt in die Saale. Insgesamt gibt es mehr als 20 dieser Auslaufbauwerke im gesamten Stadtgebiet.

Dieses System ist nun mehr als 100 Jahre alt und in dieser Zeit haben sich die Rahmenbedingungen, unter denen es funktioniert, stark verändert. Die Anzahl der Haushalte und Betriebe ist deutlich gestiegen und damit auch das Aufkommen an Abwässern. Im Stadtgebiet wurden immer mehr Flächen bebaut und versiegelt und damit stieg auch die Menge an Regenwasser, die durch die Kanalisation abgeleitet werden muss. Hinzu kommt eine Zunahme von Starkregenereignissen, die kurzfristig eine erhebliche Belastung für das Gesamtsystem darstellen.

In den letzten Jahrzehnten ist die Saale deutlich sauberer geworden. Insbesondere, weil Kläranlagen modernisiert und neugebaut wurden. Dies hat viele Menschen dazu bewogen, den Fluss wieder als Badeort zu nutzen. Allerdings ist den meisten bis heute nicht bekannt, dass auch heute noch zeitweise ungeklärte Abwässer direkt in die Saale geleitet werden. Mit diesen Abwässern gelangen insbesondere Keime in den Fluss und diese stellen ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar. Die Keimbelastung ist in der Regel nicht von Dauer, da die Abwässer mit dem Flusswasser verdünnt und flussabwärts gespült werden. Meist ist die Verschmutzung nach wenigen Tagen wieder verschwunden.

Unser Antrag fordert, kurzfristig ein Meldesystem zu schaffen, das einerseits die Keimbelastung im Saalewasser an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet misst und bei Bedarf die Bevölkerung warnt. Entsprechende Informationssysteme gibt es zum Beispiel in Berlin (https://www.berlin.de/lageso/gesundheit/gesundheitsschutz/badegewaesser/liste-der-badestellen/). Mittel. und langfristig muss das Problem aber mit seiner Ursache beseitigt werden. Deshalb wird die Stadtverwaltung beauftragt, verschiedene Lösungsansätze (weniger Versiegelung – mehr Grünflächen, Rückhaltebecken für Regenwasser verbunden mit der Nutzung als Brauch- und Gießwasser und zur Versickerung, Puffer für Abwässer, Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Kanalisation etc.) zusammenzutragen, zu konkretisieren und daraus einen Masterplan für eine saubere Saale zu entwickeln. Ziel muss es sein, letztlich ausschließlich geklärte Abwässer in die Saale zu leiten und das Überlaufen der Kanalisation in Gänze abzustellen.

Dabei ist uns bewusst, dass es für die Bereitstellung der dafür erforderlichen planerischen und finanziellen Aufwendungen erheblicher Anstrengungen bedarf. Weil das Ergebnis aber eine nachhaltige Verbesserung unserer Lebensbedingungen und einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen darstellt, sollte es uns jede Arbeitsstunde und jeden darin investierten Euro wert sein.

Unser Antrag wurde in zahlreiche Ausschüsse verwiesen (Planung, Klimaschutz, Gesundheit und Finanzen).

Nach rund 7 Stunden endete der öffentliche Teil der Stadtratssitzung gegen 21 Uhr. Der nächste Stadtrat tritt Ende November zusammen. Wie immer habt Ihr die Möglichkeit, die Sitzung auf YouTube nachzuverfolgen (hier geht es zum Video) und die Tagesordnung inklusive der einzelnen Beschlussvorlagen im Ratsinformationssystem nachlesen.