Kultur

Bilanz 2009-2014

Der Kulturausschuss ist das zuständige Gremium für die Beratung von kulturpolitischen Angelegenheiten der Stadt. Doch sind dem Ausschuss bei seiner Arbeit enge Grenzen gesetzt. Einerseits schränken die geteilten Zuständigkeiten die Handlungsoptionen ein – so existieren in der Stadt kulturelle Einrichtungen des Landes und des Bundes. Anderseits wurden die städtischen Bühnen in eine Unternehmensstruktur – die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH) – überführt, was die Mitwirkungsmöglichkeiten durch den Stadtrat stark reduzierte.

Doch das größte Problem der Kultur in Halle stellen die fehlenden Finanzmittel dar. Durch die Kürzungen bei den Fördermitteln, die das Land mit dem Haushalt des Jahres 2014 vorgenommen hat, wird die TOOH vor schier unlösbare Probleme gestellt.

Das Hauptaugenmerk unseres kulturpolitischen Wirkens liegt darin, die Rahmenbedingungen zu gestalten, um so viel kulturelle Kreativität wie möglich in der Stadt zuzulassen. Ziel ist es, Voraussetzungen zu schaffen, um das abwechslungsreiche kulturelle Angebot in der Stadt – von der sogenannten Hochkultur bis zur freien Szene und Kreativwirtschaft – erhalten zu können. Gleichzeitig sollen neue Ideen Chancen zur Verwirklichung finden – Veranstaltungen beispielsweise, die in ihrer Originalität den Veranstaltungskalender bereichern, aber nicht ein Massenpublikum ansprechen.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat sich die Fraktion bereits 2010 nachdrücklich für die Erstellung von „Kulturpolitischen Leitlinien“ eingesetzt. Diese sollten über eine reine Bestandsaufnahme hinausgehen und stattdessen eine Richtung für die Entwicklung der Kultur vorgeben, Schwerpunkte festlegen, Orientierung bieten und einen Handlungsrahmen für die Kulturpolitik der nächsten Jahre festlegen. Dies ist auch vor dem Hintergrund immer knapper werdender Mittel, die beispielsweise für Projektförderung im Bereich Kultur zur Verfügung stehen, dringend erforderlich. Unsere Fraktion hat sich im Zuge der Erstellung der „Kulturpolitischen Leitlinien“ für ein breites Beteiligungsverfahren eingesetzt und daran mitgewirkt, dass dieses tatsächlich 2011 auf den Weg gebracht werden konnte. Im Ergebnis konnte eine Vielzahl von Verantwortlichen und InitiatorInnen der städtischen Kunst- und Kulturszene für eine ExpertInnenanhörung in den Kulturausschuss eingeladen werden, um eigene Anliegen, Wünsche und Meinungen darzulegen. Dieses Vorgehen hat spannende Zusammenhänge und Erkenntnisse zutage gefördert und war in großen Teilen eine Bereicherung für die Auseinandersetzung und Erstellung der „Kulturpolitischen Leitlinien.“ Der endgültige Entwurf der Richtlinie wird – nach über dreijähriger Bearbeitungszeit –im Winter 2013/14 beraten.

Eines unserer Herzensanliegen ist es, das vielfältige und abwechslungsreiche Programm insbesondere der freien Kulturszene im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen. In dieser Wahlperiode haben wir uns daher im Zuge der jährlichen Entscheidung zur Vergabe von Fördermitteln regelmäßig für die Förderung von Veranstaltungen der freien Szene, beispielsweise für die Unterstützung von Inszenierungen freier Theatergruppen, stark gemacht. Ein zentrales Anliegen, einen Probe- und Auftrittsort für freie Theatergruppen in der Stadt zu etablieren, konnte bislang jedoch noch nicht verwirklicht werden. Eine Möglichkeit, die noch offen steht und die wir weiter verfolgen, ist die Nutzung der Räumlichkeiten des ehemaligen Thalia-Theaters – ein entsprechender Antrag dazu wurde 2013 von uns eingebracht. Eine weitere Initiative zur Stärkung der freien Szene war ein Antrag, der die Stadtverwaltung aufgefordert hat, den Rockstation-Kultur e.V., bei der Suche eines neuen Standorts nach Kräften zu unterstützen. Bedeutend ist für uns eine zeitnahe Lösung auch, weil im Ergebnis einer von uns gestellten Anfrage im Jahr 2010 zu Probemöglichkeiten von Nachwuchsbands klar wurde, dass in erster Linie dieser Verein ein entsprechendes Angebot bereithält.

Eine Zäsur dieser Wahlperiode stellt zweifelsohne die Schließung der Spielstätte des Thalia-­ Theaters dar. Trotz intensiver Bemühungen unserer Fraktion den entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss zu kippen (diverse Stadtratsinitiativen 2010, 2011 und 2012), trotz massiver Proteste von Bürgerinnen und Bürgern wurde die Spielstätte des beliebten Kinder- und Jugendtheaters zum Ende der Spielzeit 2011/2012 geschlossen. Begründet wurde der Schließungsbeschluss mit der prekären wirtschaftlichen Situation der Theater, Oper und Orchester GmbH.

Ein nachhaltiger Effekt hat sich allerdings nicht eingestellt: Die wirtschaftliche Situation der GmbH ist, auch aufgrund sinkender Zuschüsse des Landes, derzeit so schlecht wie nie zuvor. Eine Umstrukturierung ist tatsächlich erforderlich, allerdings müssen Änderungen als längerfristiger Prozess organisiert werden und können nicht abrupt erfolgen. Es wäre absurd, viel Geld für Abfindungen in der Folge von Entlassungen von Künstlerinnen und Künstlern aufzuwenden, statt diese Mittel in das Kulturangebot zu investieren und einen sozialverträglichen Übergang zu organisieren. Noch zeichnen sich keine Lösungen ab, die die Zukunft der TOOH langfristig sichern. Eine Konzeption halten wir daher weiterhin für dringend erforderlich. Diese Forderung hatten wir bereits in den Anträgen zum Erhalt des Thalia Theaters erhoben, indem wir 2012 die Erstellung von Entwicklungsszenarien bis 2017 per Antrag eingefordert haben. Im Ergebnis fand sich damals jedoch keine Mehrheit für diese Vorgehensweise.

Die Sorge um die ausreichende Finanzierung unserer reichen Kulturlandschaft ist ein beständiger Begleiter der Stadtratsarbeit. Wir haben daher 2010 das Anliegen der Fraktion MitBÜRGER für Halle – NEUES FORUM unterstützt, die Einnahmeseite über die Einführung einer Kulturförderabgabe zu verbessern. Mit einem Änderungsantrag wollten wir erreichen, dass die über eine zusätzliche (geringfügige) Abgabe der Hotelgäste pro Übernachtung erzielten Einnahmen zweckgebunden dem Kulturhaushalt der Stadt zugute kommen. Trotz Aussicht auf eine stattliche Mehreinnahme konnte die Mehrheit des Stadtrates von diesem Vorhaben nicht überzeugt werden.

Auch die Bibliotheken der Stadt bekommen die Sparzwänge zu spüren. So hat die Stadtverwaltung ursprünglich in den Haushaltsberatungen für 2012 darüber nachgedacht, Stadtteilbibliotheken zu schließen. Unsere Fraktion hat sich gegen diesen Vorschlag gestellt. Die Sparmaßnahme wurde nicht umgesetzt, in dieser Wahlperiode konnten  alle Bibliotheken erhalten werden. Damit dies auch zukünftig so bleibt, setzen wir uns dafür ein, nachhaltige und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, die den Erhalt aller Zweigstellen sicherstellen und die Attraktivität der Bibliotheken weiter erhöhen. Aus diesem Grund haben wir 2012 die längst ausstehende Erstellung eines Bibliotheksentwicklungsplans eingefordert. Unsere Initiative stieß auf breite Zustimmung im Stadtrat. Im November 2013 konnte die Fortschreibung des Bibliotheksentwicklungskonzepts 2014–2018 im Stadtrat beschlossen werden.

Im Zuständigkeitsbereich des Kulturausschusses liegt auch die Namensvergabe von Straßen und Plätzen. Zumeist ist mit der Benennung nach verstorbenen Persönlichkeiten die Zielstellung verbunden, diese besonders zu ehren. Kritisch sehen wir daher die noch vorhandene Bezeichnung der Emil-Abderhalden-Straße. Mit der Person Abderhalden bringen wir Fragen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, seine inakzeptable Haltung zur Eugenik und sein unrühmliches Agieren als Präsident der Leopoldina zu Zeiten des Nationalsozialismus in Verbindung. Aufgrund seiner Biografie halten wir ihn für nicht würdig, als Namensgeber für eine Straße in der Stadt zu fungieren und haben daher die Umbenennung der Straße eingefordert. Eine abschließende Entscheidung dazu steht jedoch noch aus, da die Leopoldina selbst ein entsprechendes Gutachten zur Aufarbeitung ihrer Aktivitäten in der Zeit des Nationalsozialismus in Auftrag gegeben und die Ratsmehrheit eine Aufschiebung der Beschlussfassung durchgesetzt hat.

Eine weitere Person der Geschichte, der wir aufgrund öffentlich gewordener Vorwürfe eine öffentliche Würdigung absprechen, ist Felix Graf von Luckner. Wir haben uns zusammen mit der Mehrheit des Stadtrates gegen ein Vorhaben der FDP-Fraktion gestellt, Graf Luckner ein Denkmal in Form einer Einzelehrung seiner Verdienste zur Rettung der Stadt Halle zu setzen. Unterstützt haben wir stattdessen 2010 das Vorhaben einer Ehrung aller Bürgerinnen und Bürger, die die Stadt Halle durch ihr engagiertes Auftreten vor der völligen Zerstörung bei Kriegsende 1945 bewahrt haben.

Einen Erfolg erzielte die grüne Fraktion dadurch, dass der Preis „Das unerschrockene Wort“ Dmitrij Muratow verliehen wurde. Dmitrij Muratow ist Chefredakteur der russischen Tageszeitung „Nowaja Gaseta“, wohl der einzigen unabhängigen und kritischen Tageszeitung in Russland. Wir hatten diesen Vorschlag eingebracht und damit erreicht, dass sich im Jahr 2011 zum ersten Mal der Vorschlag der Stadt Halle bei der Entscheidung der Lutherstädte durchgesetzt hat.

 

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