Rede zum Haushaltsplan 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

eigentlich sollten ja die Haushaltsberatungen einer Kommune sozusagen den Höhepunkt der Stadtratsarbeit darstellen. Doch hier in Halle empfinde ich eigentlich die Haushaltsberatung immer als eine Art Tiefpunkt der politischen Agenda. Das liegt vor allem auch daran, dass uns im Rahmen der Haushaltsberatung klar gemacht wird, wie gering unser politischer Gestaltungsspielraum eigentlich ist. Und aufgrund des strukturellen Defizits und aufgrund der schlechten Einnahmesituation der Stadt können wir nichts anderes tun im Rahmen der Haushaltsberatung als den Mangel zu verwalten anstatt aktiv zu gestalten.

In diesem Jahr soll der Haushalt der Stadt mit einem Fehlbedarf von rund 50 Mio. € abschließen. Und dabei handelt es sich noch nicht einmal um die ganze Wahrheit. Denn eigentlich müssten wir noch wesentlich höhere Mittel hinzurechnen, die notwendig wären, z. B. um die städtische Infrastruktur zu erhalten. Herr Bönisch ist schon auf das Problem eingegangen, dass das nicht nur Straßen und Wege betrifft, sondern vor allem auch die städtischen Immobilien. Sie haben ganz richtig ausgeführt, man muss kein Hausbesitzer sein, um sich vorzustellen, was mit den städtischen Gebäuden passiert, wenn die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen ständig aufgeschoben werden.

Und deswegen habe ich auch diesen Antrag im Finanzausschuss gestellt, um deutlich zu machen, dass hier städtisches Vermögen aufgezehrt wird und dass wir auch an diesem Punkt ganz dringend handeln müssen, um zu vermeiden, dass dieses städtische Vermögen an Wert verliert. Und deswegen werden wir Ihrem Antrag auch zustimmen, dass der Zuschuss für den Eigenbetrieb ZGM um 1 Mio. € erhöht wird, damit eben hier ein Zeichen gesetzt wird.

Im Übrigen betrifft diese Mangelsituation, die ich gekennzeichnet habe, auch die Grünanlagen und Spielplätze, obwohl hier die Ratsmehrheit einer Erhöhung der Zuschüsse auf unseren Antrag hin gefolgt ist. Aber auch hier, das sage ich deutlich, ist der Bedarf eigentlich noch höher als die Zuschüsse, die wir ausweisen im Haushalt.

Des Weiteren sind auch die Zuschüsse der freien Träger auf der Basis der Kinderzahlen für das Jahr 2009 bemessen worden. Aber Sie wissen alle: 2010 sind die Kinderzahlen deutlich höher und eigentlich müssten wir hier auch höhere Kosten einplanen, die das Defizit der 50 Mio. € noch zusätzlich erhöhen würden.

Und schließlich werden auch bei den Kosten der Unterkunft unserer Meinung nach deutlich höhere Kosten anfallen. Die Fraktion DIE LINKE. hat ja hier einen Änderungsantrag eingebracht und wir werden dem auch zustimmen, dass wir hier im Sinne der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit die Kosten ausweisen, die auch tatsächlich anfallen werden.

Nebenbei bemerkt gibt es noch ein paar kleinere Risiken, die hier auch zu erwähnen sind. Nicht zuletzt auch die Einnahmen aus den Bußgeldern. Hier hat nämlich die Verwaltung 500.000 € mehr eingeplant als letztes Jahr angefallen sind. Und das sind immerhin 25 % mehr. Und ich bezweifle, dass diese Einnahmen so eingenommen werden können.

Insgesamt also läge bei einer ehrlichen Betrachtung das tatsächliche Haushaltsdefizit noch deutlich höher als die ausgewiesenen 50 Mio. €.

Und Herr Geier hat schon einen Blick auf die Zukunft gewagt. Ich würde auch sagen, in Zukunft wird die Situation noch viel dramatischer ausfallen. In der letzten Woche war in der Zeitung zu lesen, dass Herr Bullerjahn auf die drastisch gesunkenen Steuereinnahmen des Landes hinweist. Und natürlich wird sich das auch auf den Stadthaushalt auswirken, in dem die Zuweisungen für die Stadt deutlich sinken werden.

Und deshalb ist aus meiner Sicht bereits jetzt absehbar, dass mehr oder minder sämtliche Konsolidierungsanstrengungen der Stadt wirkungslos verpuffen werden und keinerlei oder ganz geringe Wirkung entfalten können. Und daran wird letztendlich im Grundsatz auch STARK II nichts ändern.

Bei der Frage nach den Ursachen der Misere muss zunächst auf Land und Bund verwiesen werden. Das hat Herr Geier auch schon getan. Natürlich tragen Land und Bund die Hauptverantwortung für diese Misere, indem sie die Finanzausstattung der Kommunen in den letzten Jahren systematisch reduziert haben. Die Spitze des Eisberges ist das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Ich würde es eher als Schuldenbeschleunigungsgesetz bezeichnen.

Und auch vom Land wird die Stadt Halle nur unzureichend mit Finanzmitteln ausgestattet. Herr Geier hat das ja sehr umfassend ausgeführt. Auch unsere Meinung war, dass die Stadt Halle entsprechend ihrer Aufgaben mit Finanzmitteln versorgt werden muss. Das ist leider in den Beratungen des Landtages nicht geschehen. Und Herr Geier hat ausgeführt, dass eigentlich 30 Mio. € Einnahmen jedes Jahr fehlen, die die Stadt Halle bräuchte, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen zugewiesen worden.

Und altbekannte Probleme. Herr Geier hat es ebenfalls erwähnt. Auch aus unserer Sicht sind die Eingemeindungen dringend notwendig, auch um die Finanzsituation der Stadt zu verbessern. Und ich finde es ist eine Tragödie, dass diese Stadt-Umland-Problematik sich so lange hinzieht. Die wird bestimmt jetzt schon seit 10 Jahren intensiv diskutiert. Und getan hat sich innerhalb eines Jahrzehnts überhaupt nichts.

Im Übrigen, wenn da jetzt gerade Zwischenrufe aus der SPD-Fraktion kommen, Herr Krause weist ja auch schon seit Jahren darauf hin und das aber in einer Art und Weise, wo ich mich dann immer frage, ist er tatsächlich Teil dieser Regierungskoalition in Magdeburg.

Jedenfalls – und das möchte ich hier deutlich festhalten – von einer aktiven Gestaltung einer lebenswerten Stadt kann schon lange keine Rede mehr sein. Und ändern kann sich nur etwas, wenn Bund und Land endlich den Handlungsbedarf erkennen und die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden verbessern, anstatt Erben und Hoteliers zu entlasten.

Nun könnte ich meine Haushaltsrede schon fast beenden, wenn nicht ein Teil der Misere durch Rat und Verwaltung nicht hausgemacht wäre. Denn weder Verwaltung noch Stadt unternehmen alles, um sich wenigstens noch einen restlichen Handlungsspielraum zu erhalten.

In der Vergangenheit und auch in dem jetzigen Haushaltsentwurf wurden nämlich schlicht die falschen Prioritäten gesetzt. Statt konsequent die Maßnahmen umzusetzen, die auf lange Sicht zu einer Haushaltsentlastung führen, wurden Projekte realisiert, die den Haushalt sogar noch stärker belasten.

So gab es Mittel in der Vergangenheit, um Äcker zu beleuchten und aktuell auch um ein Stadion auf Regionalliganiveau auszubauen, das nach einer kurzen Übergangsphase – Sie wissen das alle – nur noch von einem Kreisligaklub genutzt wird. Wir haben auch das Geld, den Gimritzer Damm vierspurig auszubauen und natürlich stehen auch Mittel zur Verfügung für eine neue Fußballarena.

Die Mittel für das neue Stadion kommen im Wesentlichen aus Immobilienverkäufen. Und ich sage hier deutlich, ich kann diese Art der Rechnung nicht nachvollziehen nach dem Motto: Die guten Immobilien für das Stadion und die schlechten für die Haushaltskonsolidierung.

Und ich kann hier ankündigen, dass wir auch die sonstigen Sponsoringmittel für den HFC und für sonstige Vereine noch stärker thematisieren werden, gerade weil unser Antrag auf Transparenz bei den Sponsoringmitteln abgelehnt wurde. Und ich hätte mir gewünscht, Herr Bönisch, dass Sie im Sinne der Transparenz diesem Antrag zugestimmt hätten. Dann könnten wir nämlich ganz offen und ehrlich hier in dem Rat über die sonstigen Mittel auch diskutieren.

Was uns in der Zukunft bevorsteht, weil wir eben diese Entscheidung für das Stadion auch so getroffen haben, ist, dass das Geld für andere Vereine und Verbände fehlen wird. Sie alle wissen, was passiert ist mit den Schwimmvereinen, dass wir uns hier um 50.000 € gestritten haben. Und ich denke, das wird in Zukunft noch deutlicher.

Und auch unser großes Projekt Ballsporthalle ist jetzt wohl auf den „Sankt Nimmerleinstag“ verschoben. Das lässt sich ja heute in der Antwort auf eine Anfrage nachlesen, wo die Verwaltung eben sagt, es ist kein Geld aus dem Stadthaushalt für dieses Projekt vorhanden. Es muss durch einen privaten Dritten realisiert werden. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass das möglich ist und würde mir wünschen, wenn ich da vom Gegenteil überzeugt werden könnte.

Entscheidend ist, dass wir für viele Projekte Geld haben, aber kein Geld, um Geld zu sparen. In erster Linie meine ich damit Energiecontracting und Energiesparmaßnahmen. Im Energiekonzept der Stadt, was wir hier in den Ausschüssen auch behandelt haben, ist aufgezeigt, an welchen Stellen wir Energie und damit auch bares Geld für den Stadthaushalt einsparen könnten.

Wir selbst haben mehrere Anträge hier im Rat auch positiv beschieden, z. B. zum Energiesparcontracting. Und wir haben auch irgendwann mal beschlossen, dass wir ein Energiebudget im Haushalt einrichten, eben für diese Vielzahl an kleineren Energiesparmaßnahmen, die dann wirklich mittelfristig Geld für den Haushalt einsparen. Aber ich muss hier deutlich festhalten, die Bemühungen zur Umsetzung dieser Beschlüsse sind aus meiner Sicht zaghaft oder sogar absolut nicht existent.

Ich habe erst gestern mit Verantwortlichen gesprochen, die solche Contracting-Projekte umsetzen, die ganz konkrete Vorschläge gemacht haben, an welchen Stellen für den Stadthaushalt ganz schnell Geld eingespart werden könnte. Und die haben gesagt, wir scheitern an dem Beharrungsvermögen der Verwaltung. Und ich würde mir wünschen, dass die Verwaltungsspitze bei diesem Thema so viel Energie an den Tag legt wie sie jetzt im Moment an den Tag legt zur Verhinderung der Umweltzone.

Meine Damen und Herren, dem  Haushaltsentwurf ist auch ein Haushaltskonsolidierungskonzept beigefügt. Und wir wissen alle, dass die Zahlen komplett veraltet sind. Auch ohne Wirtschaftskrise wäre es nicht möglich gewesen, wie geplant die Altschulden der Stadt einfach in die Wohnungsunternehmen zu verschieben. Und jetzt wird es überdeutlich, jetzt lässt sich auch der Schein nicht mehr aufrecht erhalten. Aber dennoch sollen wir diese veralteten Zahlen beschließen und die Verwaltung beauftragen, bis zur Sommerpause ein neues Konzept zur Haushaltskonsolidierung zu erarbeiten.

Für mich ist das absolut nicht nachvollziehbar, warum die Verwaltung auch als Gesellschafterin der städtischen Unternehmen nicht schon viel früher gehandelt hat. Denn natürlich sind die Entwicklungen gerade durch die Finanzkrise nicht erst seit gestern oder seit letzter Woche absehbar, sondern schon seit langer Zeit. Und es wäre Zeit gewesen, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Das gehört aus unserer Sicht einfach zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit dazu, dass wir ein ehrliches Haushaltskonsolidierungskonzept bekommen.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Einnahmen aus den VNG-Verkäufen mit 100 Mio. € – was durchaus ein Erfolg war, das will ich hier noch mal klar stellen – gerade mal in 2 Jahren strukturellen Defizits aufgezehrt sind, dann wird eigentlich sehr deutlich, wie dramatisch die Situation tatsächlich ist.

Ich möchte hier an dieser Stelle jetzt nicht darüber mutmaßen, warum diese ehrlichen Zahlen zur Entwicklung des Altdefizits vorgelegt werden, aber ich sehe auch in der Vorlage der Verwaltung nichts anderes als eine Hinhaltetaktik und deswegen wird die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieser Vorlage nicht zustimmen. Und ich bezweifle im Übrigen auch, dass die Kommunalaufsicht dieses Spiel mitspielt.

Meine Damen und Herren, um es abschließend noch mal auf den Punkt zu bringen. Der vorliegende Haushaltsentwurf setzt die falschen Prioritäten. An den Stellen, wo noch Entscheidungsspielraum vorhanden ist, müssten wir konsequent in nachhaltige Projekte investieren, um mittel- bis langfristig den Haushalt zu entlasten. Stattdessen werden fragwürdige Projekte realisiert und gleichzeitig zunehmend freiwillige Leistungen für Vereine und Verbände zurückgefahren.

Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können das nicht mittragen und deswegen wird die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen.

Abschließend möchte ich mich noch bei Herrn Geier und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Begleitung der Haushaltsberatungen bedanken. Nach meinem Eindruck hat es hier deutliche Fortschritte gegenüber den Vorjahren gegeben. Es war sogar weitgehend möglich, digital zu folgen und ich wünsche mir, dass das in den Folgejahren noch viel stärker zum Tragen kommt und wir auf das Papier komplett verzichten können.

Vielen Dank!


Dieser Eintrag bezieht sich auf die Stadtratsvorlage V/2009/08484 (Haushaltssatzung und -plan 2010), die auf der Stadtratssitzung am 28.04.2010 abschließend beraten wurde. Vielen Dank an das Protokollteam der Geschäftsstelle Stadtrat.


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